Was ist ein gutes Buch? Und wann erkenne ich das beim Lesen?
Gestern Abend habe ich in einem Buch gelesen, das ich bis dahin eigentlich gut fand. Und dann habe ich mich in diesem eigentlich guten Buch über folgende Szene geärgert, die ich nicht gut finde:
Ich gehe zu Felice. Der sein Buch liest.
"Gutes Buch?"
"Hm", antwortet er. "Ich weiß nicht, ob es gut ist, dieses Buch. Ich habe es noch nicht zu Ende gelesen."
Felice meint also, dass er erst entscheiden könne, ob ein Buch ein gutes Buch ist, wenn er es von vorne bis hinten komplett durchgelesen hat und das Ende kennt, das für ihn offenbar entscheidend ist, um zu beurteilen, ob er das ganze Buch gut findet.
Und was ist mit den 200, 500 oder gar 1000 Seiten des Buchs von der ersten Seite bis kurz vor seinen Schluss? Die lese ich demnach mehr oder weniger emotionslos und weiß nicht, wie ich sie finden soll, weil ich das Ende noch nicht kenne, das mir diese Entscheidung erst möglich macht?
Was für eine Herabwürdigung von Literatur auf reine Funktion, Ausrichtung und Effizienz mit dem Ziel eines guten Abschlusses! Ich muss ein Buch, das ich lese, von Beginn an gut finden - nicht nur sprachlich und stilistisch, sondern auch den sich entwickelnden Plot! Und das muss – und will – ich entscheiden, lange bevor ich das Ende des Buchs kenne! Könnte ja sonst passieren, dass ich ein ganzes schlechtes Buch lese, es aber leider erst zum schlechten Schluss merke.
Ich habe dieses Buch trotzdem weiter und zu Ende gelesen, weil ich es - wie gesagt – bis zu dieser Stelle gut fand und auch danach gut finde.
Der Schluss ist übrigens auch gut. Und selbst, wenn er es nicht wäre, wäre das Buch bis dahin ein gutes Buch.