Dem (Land-)Volk aufs Maul geschaut (Luther!) – das nicht ganz ernste Fazit eines Bergbauern zum Klimawandel
Nein, ich weiß, es ist nicht sehr hilfreich, wenn ich von dem wunderbaren Wetter berichte, das hier im Süden (Tessin) seit Monaten herrscht; um genau zu sein – nein, lieber nicht, es reicht vermutlich zu sagen, dass wir hier etwa so viele Tage mit Niederschlag hatten wie München mit Sonne (eher etwas weniger). Toll für uns, die wir an freien Tahen klettern, wandern, sonnenbaden können, wie sonst im Frühling – wenn der mal besonders mild gestimmt ist.
Zum Trost: Wir haben hier auch schon Winter erlebt, in denen wir der Schneemassen schlicht nicht Herr wurden: Meterhoch lag der Schnee, jeden Tag mussten wir uns aus dem Haus schaufeln, das Auto suchen (wer erinnert sich noch an die wunderbare Werbung "Isch ’abe gar kein Auto ..."?), und wenn wir Glück hatten, fiel der Strom nicht aus, weil die Leitungen unter der Schneelast oder umgestürzten Bäumen zusammengebrochen waren. Mit noch mehr Glück verzog sich auch nicht das ganze Haus unter dem massiven Gewicht des Dachs, so dass Fenster und Türen sich noch öffnen ließen. Aber so ist das halt in den Bergen auf 1300 Metern. Beziehungsweise: So war es.
Nun also dieser Winter, der ein Frühling ist. Ein „Betonhoch“ nach dem anderen. An so etwas kann sich hier niemand erinnern. Im Februar Temperaturen von über zehn Grad (normal: schon mal –10). Die Schneehöhe: kaum messbar bis nicht vorhanden (normal: ca. 1 bis 1,50 Meter). Das Lebensgefühl: Ja, ist denn schon Urlaub? (normal: Ist noch genug Holz da?!?)
Ein Problem ist das allerdings für die Vegetation, die massiv unter dem Wassermangel leidet. In manchen Gegenden sind schon Waldbrände ausgebrochen. In größeren Höhen liegt noch lange nicht genug Schnee, um die künstlichen wie natürlichen Wasserreservoirs im Frühjahr zu füllen. Und immer noch kein Genua-Tief in Sicht.
Heute haben wir eine Wanderung gemacht, die normalerweise Schneeschuhe, LVS-Gerät, Sonde, Schaufel etc. erfordern würde. In Halbschuhen, ohne Grödeln (aber immerhin mit Stöcken und Handschuhen ausgerüstet) absolvieren wir unsere Tour und kehren anschließend auf einen Caffè beim Postler ein, der (normalerweise nur im Sommer) am Wochenende einen Kiosk am Stausee betreibt. Große Familienrunde: Auch sein älterer Bruder, der die Alp betreibt und einen wunderbaren Käse herstellt, ist mit seiner Frau zum Caffè gekommen. Bestimmendes Thema: natürlich das exzeptionelle Wetter. (Wen interessiert da schon Olympia?) Man analysiert, (ver)zweifelt, prognostiziert, wägt ab ... Fazit des Alpbauern, während er die Beine von sich streckt und in die Sonne blinzelt: "Machen wir dieses Jahr halt Wein."